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Entscheidung der Woche 03-2025 (SR)

Marie Rennebaum

Ein bedingter Tötungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Tod eines anderen als mögliche Folge seines Handelns erkennt und diesen billigt oder sich zumindest damit abfindet. Gleichgültigkeit gegenüber dem möglichen Tod kann hierfür ausreichend sein.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: BGH, Urt. v. 29.02.2024 - 4 StR 350/23

Fundstelle: https://openjur.de/u/2485368.html

 

A. Orientierungs- oder Leitsätze

1. Ein bedingter Tötungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Tod eines anderen als mögliche Folge seines Handelns erkennt und diesen billigt oder sich zumindest damit abfindet. Gleichgültigkeit gegenüber dem möglichen Tod kann hierfür ausreichend sein.

2. Bedingter Gefährdungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit eines illegalen KFZ-Rennens hinaus die spezifischen Umstände kennt, die eine konkrete Gefahr, wie einen Beinaheunfall, wahrscheinlich machen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahr abfindet. Dabei genügt es, wenn der sich Täter eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die der tatsächlich eingetretenen Gefahr im Wesentlichen entspricht.

3. Der Vorsatz hinsichtlich einer konkreten Gefahr schließt nicht zwingend aus, dass der Täter einen Tötungsvorsatz hat. Insbesondere bei risikofreudigen Tätern kann es sein, dass sie eine kritische Situation in Kauf nehmen, jedoch darauf vertrauen, einen tödlichen Ausgang noch verhindern zu können.


B. Sachverhalt

Am Nachmittag fuhren S und P, jeweils in einem hoch motorisierten Pkw, auf einer Straße mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Beide beschleunigten stark und überholten einen langsameren Pkw, wobei die P auf der Gegenfahrbahn blieb und ihr Fahrzeug weiter beschleunigte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt entschlossen sich beide konkludent, spontan ein Rennen zu veranstalten. Trotz eingeschränkter Sicht und einer erkennbaren Gefahrenlage fuhren beide nebeneinander her. Im Verlauf des Rennens geriet das Fahrzeug der P bei einer Geschwindigkeit von etwas 180 km/h ins Schleudern und kollidierte mit mehreren entgegenkommenden Fahrzeugen. Die darin sitzenden Kinder wurden dabei getötet, ihre Eltern schwer verletzt. Eine weitere Person erlitt Verletzungen und ein erheblicher Sachschaden entstand. P und S verstießen bewusst gegen die Verkehrsregeln. Ihnen war der Zusammenhang zwischen dem Straßenrennen und den möglichen tödlichen Folgen bewusst, nahmen diese in Kauf, vertrauten jedoch auf dessen Ausbleiben.


C. Anmerkungen

Der BGH klärt die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit, insbesondere bei Tötungs- und Gefährdungsdelikten im Zusammenhang mit illegalen Kraftfahrzeugrennen. Es wird unterstrichen, dass der Täter ernsthaft und nicht nur vage darauf vertrauen muss, dass der tatbestandliche Erfolg ausbleibt, um bewusste Fahrlässigkeit anzunehmen. Besonders im Kontext von § 315d StGB konkretisiert der BGH die Anforderungen an den bedingten Gefährdungsvorsatz. Es genügt, dass sich der Täter eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht.

Zudem wird festgestellt, dass der Gefährdungsvorsatz gem. § 315d II StGB und der Tötungsvorsatz gem. §§ 211,212 StGB unterschiedliche Bezugspunkte haben. Der Täter kann eine konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer in Kauf nehmen und gleichzeitig darauf vertrauen, einen tödlichen Ausgang zu verhindern. Der BGH hebt außerdem die strafschärfende Wirkung von Faktoren wie der hohen Unrechtsintensität illegaler Autorennen, insbesondere wenn mehrere Opfer zu Schaden kommen, hervor. Die bewusste Missachtung von Verkehrsregeln auf unübersichtlichen Strecken wird als besonders strafwürdig angesehen.


D. In der Prüfung

§§ 211, 212

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Erfolg

b. Handlung

c. Kausalität

d. Objektive Zurechnung

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld


E. Literaturhinweise

NStZ-RR 2024, 186

 

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