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Entscheidung der Woche 04-2025 (ÖR)

Gabriel Felix Gruber

Öffentlich-rechtliche Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für individuell zurechenbare Leistungen auferlegt werden und dazu dienen, deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder Vorteile auszugleichen.

Aktenzeichen und Fundstelle Az.: BVerfG, Urt. v. 14.01.2025 - 1 BvR 548/22

Fundstelle: BeckRS 2025, 104

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Öffentlich-rechtliche Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für individuell zurechenbare Leistungen auferlegt werden und dazu dienen, deren Kosten ganz oder teilweise zu decken oder Vorteile auszugleichen.

2. Die Verfassung verpflichtet nicht zur kostenfreien Bereitstellung polizeilicher Sicherheitsvorsorge. Polizeikosten müssen nicht ausschließlich aus Steuermitteln finanziert werden und können auch Dritte treffen, die keine Störer sind.

3. Eine Gebühr ist nur zulässig, wenn sie als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung erhoben wird. Der Gesetzgeber hat hierbei einen weiten Gestaltungsspielraum, der aber überschritten ist, wenn kein konkreter Bezug zum Vorteil des Abgabepflichtigen besteht.

4. Individuelle Zurechenbarkeit liegt vor, wenn die öffentliche Leistung konkrete Vorteile bietet oder individuell veranlasst wurde, insbesondere bei einer übermäßigen Inanspruchnahme öffentlicher Ressourcen.


B. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, eine Veranstalterin von Bundesligaspielen, wurde aufgrund einer gesetzlichen Regelung des Landes Bremen zur Zahlung einer Gebühr für polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen bei einem als Hochrisikospiel eingestuften Fußballspiel zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV verpflichtet. Das Spiel fand am 19. April 2015 statt und zog eine große Anzahl von Zuschauern an. Aufgrund erhöhter Gewaltpotenziale wurden umfangreiche polizeiliche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Der Gebührenbescheid belief sich auf 425.718,11 Euro und basierte auf § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes

(BremGebBeitrG). Die Veranstalterin machte geltend, dass die Bereitstellung von Polizeikräften eine originäre staatliche Aufgabe sei, die ausschließlich durch Steuermittel zu finanzieren sei. Zudem sei die Berechnung der Gebühren unverhältnismäßig und intransparent.

Das Verwaltungsgericht hob den Gebührenbescheid zunächst auf, weil es eine unzureichende gesetzliche Grundlage sah. In der Berufungsinstanz entschied das Oberverwaltungsgericht Bremen, dass die gesetzliche Grundlage ausreichend sei und der wirtschaftliche Vorteil der Veranstalterin eine anteilige Kostenübernahme rechtfertige. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Auffassung in der Revision.


C. Anmerkungen

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Erhebung der Gebühr verfassungsgemäß ist. Es stellte fest, dass die Veranstalterin wirtschaftlich von der Sicherheitsleistung profitiert und daher ein legitimes Interesse des Staates besteht, die dadurch entstehenden Kosten anteilig zu erheben. Die Erhebung einer Gebühr für Sicherheitsleistungen ist demnach gerechtfertigt, solange ein direkter Vorteil für den Veranstalter erkennbar ist. Die Einbindung von Polizeikräften zur Verhinderung von Gefahren durch Fangruppen und mögliche Ausschreitungen stellt eine besondere,

individuell zurechenbare Leistung dar.

Das Gericht prüfte die Gebührenregelung anhand der formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit. Formell wurde insbesondere die Gesetzgebungskompetenz des Landes Bremen nach Art. 70 GG bestätigt. Materiell wurde die Regelung an den Maßstäben der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG), des Gleichheitssatzes (Art. 3 I GG) und des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) gemessen. Das Gericht wies darauf hin, dass die Berechnungsmethode der Gebühr transparenter und nachvollziehbarer gestaltet werden muss, um methodische Mängel auszuschließen. Insbesondere müsse sichergestellt werden, dass nur tatsächlich anfallende Mehrkosten berechnet werden und die Veranstalter nicht übermäßig belastet werden.

Zentrale Probleme dieser Entscheidung waren die Abgrenzung zwischen allgemeiner staatlicher Aufgabe und individuell zurechenbarer Leistung. Die zentrale Frage war, ob die Polizeipräsenz primär dem Allgemeinwohl dient oder ob sie eine konkret zuordenbare Leistung für den Veranstalter darstellt. Ein weiteres Problem war die Verhältnismäßigkeit der Gebührenerhebung.

Die Höhe der Gebühr musste in einem angemessenen Verhältnis zur erbrachten Leistung stehen, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Veranstalters. Auch der Gleichheitsgrundsatz wurde erörtert, da es darauf ankam, ob die Regelung verschiedene Veranstaltergruppen gleich behandelt oder ob sie bestimmte Akteure übermäßig belastet.

Die Entscheidung bestätigt, dass Bundesligaveranstalter als Nutznießer der Sicherheitsmaßnahmen angesehen werden können. Die erhobene Gebühr verletzt nicht das Grundrecht auf Berufsfreiheit, da sie einer sachgerechten Lastenverteilung dient. Das Bundesverfassungsgericht führte weiterhin aus, dass die Abwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen der Veranstalter und den finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand sorgfältig erfolgen müsse. In künftigen Fällen sei eine differenzierte Betrachtung erforderlich, um etwaige Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Das Gericht betonte jedoch, dass bei zukünftigen Erhebungen die Verhältnismäßigkeit und

Berechnungsmethoden strenger zu prüfen seien, um eine Überbelastung der Veranstalter zu vermeiden.


D. In der Prüfung

Verfassungsbeschwerde, Art. 94 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit des BVerfG

2. Beteiligtenfähigkeit

3. Prozessfähigkeit

4. Beschwerdegegenstand

5. Beschwerdebefugnis

6. Rechtsschutzbedürfnis

7. Form und Frist

II. Begründetheit

1. Formelle Verfassungsmäßigkeit

2. Materielle Verfassungsmäßigkeit

(P) Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin

(P) Ungleichbehandlung durch die Gebührenregelung

(P) Verletzung des effektiven Rechtsschutzes


E. Literaturhinweise

BVerfG, Urteil vom 14.01.2025 - 1 BvR 548/22

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-dfl-polizeikosten-bundesliga-hochrisiko-fussballspielengebuehren (abgerufen am: 20.01.2024)

 

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