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Entscheidung der Woche 08-2025 (ZR)

Michel Annink

Sichert ein Kfz-Halter das von ihm gehaltene Fahrzeug nicht ausreichend gegen Diebstahl, haftet er für Schäden aus einem Unfall während einer Schwarzfahrt.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: LG Hamburg 323 O 330/20

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

Sichert ein Kfz-Halter das von ihm gehaltene Fahrzeug nicht ausreichend gegen Diebstahl, haftet er für Schäden aus einem Unfall während einer Schwarzfahrt.

B. Sachverhalt

Der Beklagte (B1) entwendete ein Fahrzeug vom weiteren Beklagten (B2), welches beim dritten Beklagten (B3) versichert ist. Hierbei nutzte er einen Fahrzeugersatzschlüssel, welcher sich in der nicht verschlossenen Mittelkonsole des Fahrzeugs befand. B1 wurde von der Polizei verfolgt und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 145 km/h. B1 stieß auf der Gegenfahrbahn frontal mit einem anderen Fahrzeug zusammen. Darin befand sich der Sohn (S) der Klägerin (K). S trug keinen Sicherheitsgurt. Der S verstarb an der Unfallstelle. Die K wurde via Telefon über den Tod informiert und nahm in der Folgezeit medizinische und psychologische Hilfe in Anspruch. K war in dieser Zeit arbeitsunfähig.

C. Entscheidung und Anmerkungen

Das Gericht entschied, dass B1 bis B3 als Gesamtschuldner für einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 40.000,00€ haften. Die Ansprüche der K gegen B1 folgen aus §§ 7, 18 StVG, 823 BGB i.V.m. 223, 229 StGB. Festgestellt wurde, dass B1 als Schwarzfahrer mit einem gestohlenen Wagen haftet. B2 haftet als Halter des Fahrzeugs nach § 7 Abs. 1 und 3 S. 1 2. Hs. StVG sowie § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO. Denn B2 habe die Benutzung des Fahrzeugs durch den B1 schuldhaft ermöglicht. Aus § 14 Abs. 2 S. 2 StVO ergibt sich die Pflicht, dass Kraftfahrzeuge gegen unbefugte Benutzung zu sichern sind. Dabei hat der Fahrzeughalter bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles zu tun, was ihm billigerweise zur Verhinderung von Schwarzfahrten zugemutet werden kann. Dies begründet sich durch die erheblichen Gefahren für den Straßenverkehr, welche eine nicht geeignete oder unbefugte Nutzung erfahrungsgemäß mit sich bringt. Zu den zumutbaren Sicherungsmaßnahmen gehöre es, keine Fahrzeugschlüssel ungesichert im Fahrzeug aufzubewahren, also den Fahrzeugersatzschlüssel nicht in der nicht abgeschlossenen Mittelkonsole desselben Fahrzeuges aufzubewahren. Denn so würde die Entwendung erheblich erleichtert. B3 haftet als Versicherer des Fahrzeuges von B2 aus § 7 Abs. 1 und 3 S. 1 2. Hs. sowie § 823 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG für Schadensersatz.

B3 kann sich auf den Risikoausschluss nach § 103 VVG berufen, jedoch hat B3 durch die nicht entfallende Halterhaftung des B2 für die entstandenen Schäden der K einzustehen.

Durch den Verkehrsunfall hat K auch eine Gesundheitsschädigung erlitten. Sie hat sich sog. Schockschäden, also psychische Beeinträchtigungen infolge des Todes oder der schwerwiegenden Verletzung eines nahen Angehörigen, zugezogen. Diese stellen nur eine Gesundheitsverletzung im Sinne der o.g. Haftungsvorschriften dar, wenn sie pathologisch fassbar sind und deutlich über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Familienangehörige bei dem Miterleben oder der Benachrichtigung

von einem solchen Ereignis erfahrungsgemäß ausgesetzt sind. Demgegenüber begründen seelische Erschütterungen (Trauer, Kummer, Leid und seelischer Schmerz), die bei Angehörigen nach allgemeiner Erfahrung durch die Konfrontation mit dem Tod oder der gravierenden Verletzung einer nahestehenden Person zu erwarten sind, auch bei einer begleitenden Störung der physiologischen Abläufe keine Gesundheitsverletzung, wenn der psychischen Beeinträchtigung nach der medizinischen Bewertung nicht selbst ein Krankheitswert zukommt. Das Gericht stellt fest, dass die K durch den Tod ihres Sohnes S die vorauszusetzende psychopathologische Beeinträchtigung mit Krankheitswert erlitten hat.

Durch den § 14 Abs. 2 S. 2 StVO entsteht eine Pflicht das Fahrzeug gegen unbefugte Nutzung zu sichern. Dabei hat der Fahrzeughalter bis zur Grenze des unabwendbaren Zufalls alles zu tun, was ihm billigerweise zugemutet werden kann (s.o.). Versetzt man sich in die Situation eines regulären Fahrzeughalters so steht man dem Diebstahl des eigenen Fahrzeugs nicht positiv gegenüber. Wenn man den Fahrzeugschlüssel im Fahrzeug lässt und darauf vertraut, dass dieses nicht gestohlen wird, wird eine Pflicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 StVO gebrochen und man haftet für den entstehenden Schadensersatz mit. Fraglich sind die jeweiligen Grenzen und ob das Vertrauen in den ausbleibenden Diebstahl zu einer Schadensersatzpflicht führen sollte.

D. In der Prüfung

Anspruch gegen B2 aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 StVO

I. Rechts- oder Rechtsgutverletzung

(P) Schockschaden der K

II. Verletzungshandlung

(P) Verletzung einer Pflicht aus § 14 Abs. 2 S. 2 StVO

III. Haftungsbegründende Kausalität

IV. Rechtswidrigkeit

V. Haftungsausfüllender Tatbestand

 

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