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Entscheidung der Woche 19-2024 (SR)

Lena Tenge

Wird der unter Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft durchgeführte Tankvorgang nicht vom Tankstellenpersonal bemerkt, ist der Täter wegen versuchten Betruges zu verurteilen. Seine Bemühungen, unentdeckt zu bleiben, ändern an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az: BGH 5 StR 318/22

Fundstelle: NStZ-RR 2023, 277; BeckRS 2022, 48112

 

A. Orientierungs- oder Leitsätze

1. Wird der unter Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft durchgeführte Tankvorgang nicht vom Tankstellenpersonal bemerkt, ist der Täter wegen versuchten Betruges zu verurteilen. Seine Bemühungen, unentdeckt zu bleiben, ändern an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

2. Beruhen Tankvorgang und Raubüberfall auf eine Tankstelle auf einem einheitlichen Tatentschluss und spielen sich binnen weniger Minuten ohne Zäsur am selben, lediglich einige Quadratmeter umfassenden Ort ab, stellt sich das gesamte Tätigwerden des Angeklagten auch aus der Sicht eines Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun dar (sog. natürliche Handlungseinheit) und steht daher im Verhältnis der Tateinheit i.S.v. § 52 StGB zueinander.


B. Sachverhalt

A fährt mit B und C zu einer Autobahntankstelle. Sie haben vereinbart, den Pkw zu betanken, ohne den Kraftstoff zu bezahlen und die Tankstelle unter Verwendung eines Messers zu überfallen. An der Tankstelle angekommen, lässt A den B und C im Bereich der Toiletten raus und fährt zu einer Zapfsäule. A betankt den Wagen mit Benzin im Wert von 56 EUR, wobei er sich bemüht, unerkannt zu bleiben. Dazu zieht er die Kapuze seiner Jacke tief ins Gesicht und hält den Kopf gesenkt. Zuvor hatte er bereits die Kennzeichen abgedeckt. Der Tankstellenmitarbeiter M bemerkt den Tankvorgang nicht. Anschließend stellt A das Auto fluchtbereit im Bereich der Toiletten ab. Nun betreten A, B und C den Verkaufsraum. A stellt sich an die Kasse, sodass M denkt, einen zahlungswilligen Kunden vor sich zu haben. Wie zur Umsetzung des Überfallplans angedacht, lenkt A den M mit der Frage nach Zigaretten ab. Diese Situation nutzt B aus, geht hinter den Verkaufstresen und hält M ein Messer an den Hals. Nach Aufforderung des A öffnet M die Kasse, woraufhin C das darin enthaltene Geld entnimmt. A, B und C flüchten mit dem Fahrzeug und teilen die Beute auf.


C. Anmerkungen

Das LG verurteilte A wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls. Der Schuldspruch bedarf auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Korrektur. Demnach macht sich derjenige, dessen Bestreben beim Tanken von Anfang an darauf gerichtet ist, das Benzin ohne Entrichtung des Kaufpreises an sich zu bringen, des Betruges gem. § 263 StGB strafbar. Wenn der Tankvorgang, wie im vorliegenden Fall, nicht vom Tankstellenpersonal bemerkt wird, ist der Täter wegen versuchten Betruges zu verurteilen. Die Bemühungen unentdeckt zu bleiben, haben keinen Einfluss auf die Beurteilung.

Nach dem für die rechtliche Bewertung des vermögensschädigenden Verhaltens maßgeblichen äußeren Erscheinungsbild hat sich der Angeklagte nicht wegen einer besonders schweren räuberischen Erpressung strafbar gemacht, sondern des besonders schweren Raubes nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 II StGB.

Allerdings bestehen auch Bedenken gegen die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts. Der Tankvorgang und der Raubüberfall spielen sich innerhalb kürzester Zeit am selben Ort ab und beruhen auf einem einheitlichen Tatentschluss. Demnach gingen die Handlungen des Angeklagten ohne eine Zäsur ineinander über. Aus der Sicht eines Dritten und bei einer natürlichen Betrachtungsweise stellen sich die Handlungen des Angeklagten als eine natürliche Handlungseinheit dar. Das gesamte Tätigwerden des Angeklagten steht somit in Tateinheit i.S.v. § 52 StGB zueinander.


D. In der Prüfung

A. Strafbarkeit gem. § 242 I StGB

I. Fremde bewegliche Sache

II. Wegnahme

B. Strafbarkeit gem. § 263 I StGB

I. Täuschung über Tatsachen

II. Irrtum

C. Strafbarkeit gem. §§ 263 I, II, 22, 23 I StGB

I. Vorprüfung

II. Tatentschluss

1. Vorsatz hinsichtlich der Täuschung über Tatsachen

2. Vorsatz hinsichtlich des Irrtums

3. Vorsatz hinsichtlich einer Vermögensverfügung

4. Vorsatz hinsichtlich eines Vermögensschadens

5. Absicht zur rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung

III. Unmittelbares Ansetzen

IV. Rechtswidrigkeit und Schuld

D. Strafbarkeit gem. § 246 I StGBE. Strafbarkeit gem. §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 25 II StGB

I. Objektiver Tatbestand

II. Subjektiver Tatbestand

F. Konkurrenzen

G. Ergebnis


E. Literaturhinweise

Joecks/Jäger, § 263.

 
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