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Entscheidung der Woche 22-2024 (SR)

Vivien-Christina Laue

Eine Schreckschusspistole stellt nur eine Waffe i.S.v. § 250 StGB dar, wenn der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az: BGH 3 StR 304/23

Fundstelle: BeckRS 2023, 41042; RÜ 2024, 227; LSK 2023, 41042

 

A. Orientierungs- oder Leitsätze

1. Eine Schreckschusspistole stellt nur eine Waffe i.S.v. § 250 StGB dar, wenn der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.

2. Die ungeladene Schusswaffe fällt nicht unter den Waffenbegriff, jedenfalls dann nicht, wenn keine Munition griffbereit ist.

3. Können zu Art und Ladezustand der benutzten Waffe keine Feststellungen getroffen werden, ist davon auszugehen, dass es sich entweder um eine ungeladene Schusswaffe oder eine Scheinwaffe handelte.


B. Sachverhalt

Der Angeklagte A bedrohte die Geschädigte B, seine Vermieterin, indem er ihr eine Pistole vor das Gesicht hielt, damit diese ihm einen Geldbetrag von 150 € aushändige. Über die Art der Pistole und ob diese zum Zeitpunkt der Tatbegehung geladen war, ist nichts bekannt. Bekannt ist hingegen, dass A bereits in der Vergangenheit, vor der Tat, mit einer Pistole auf dem Grundstück der B umherschoss. Derart eingeschüchtert hob die B den Betrag von ihrem Konto ab und übergab diesen aus Angst dem A. Nach der Tat kam es zu einer Durchsuchung des Appartements von A, bei der eine Schreckschusspistole mit zugehöriger Munition und drei Patronen für eine Kleinkaliberpistole sichergestellt worden sind.


C. Anmerkungen

Das LG verurteilte A wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung. Der Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung wird von den getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die konkrete Beschaffenheit der verwendeten Pistole nicht getragen. Zunächst hat das LG nicht festgestellt, ob es sich bei der Pistole, mit der A die B bedrohte, um eine echte Pistole oder um eine Schreckschusspistole handelte. Das LG hat sich des Weiteren nicht zum Ladezustand der verwendeten Pistole verhalten. Allein der Umstand, dass der Angeklagte vor der Tat mit einer Pistole auf dem Grundstück der B, im Hof und auf dem Dach eines Gartenhauses, schoss und nach der Tat im Appartement des A eine Schreckschusspistole mit zugehöriger Munition sowie drei Patronen für eine Kleinkaliberpistole sichergestellt worden sind, sagt nichts über den Ladezustand der Pistole während der Tatbegehung aus. Es ist zugunsten des A davon auszugehen, dass die Waffe zum Zeitpunkt der Bedrohung der B ungeladen war und A auch keine Munition mitführte, sodass sie zum bestimmungsgemäßen Gebrauch objektiv ungefährlich war, weil A mit der Pistole nicht schießen konnte. A benutzte die Pistole auch nur zur Bedrohung und nicht als Schlagwerkzeug gegen B. Somit ist aus der konkreten Art der Verwendung ebenso nicht die Gefährlichkeit der Tatwaffe herzuleiten. Der Senat kommt zu dem Ergebnis, dass A sich nach den Feststellungen des LG gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB strafbar gemacht hat.


D. In der Prüfung

A. Strafbarkeit gem. § 249 Abs. 1 StGB

I. Objektiver Tatbestand

1. Fremde bewegliche Sache

2. Wegnahme

II. Ergebnis


B. Strafbarkeit gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1a, 1b StGB

I. Objektiver Tatbestand

1. Nr. 1 a: bewusst gebrauchsbereites Beisichführen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs

2. Nr. 1 b: bewusst gebrauchsbereites Beisichführen eines sonstigen Werkzeugs oder Mittels

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz, dolus eventualis reicht

2. bei Nr. 1 b: Verwendungsabsicht hins. des Werkzeugs oder Mittels

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld

V. Ergebnis


C. Strafbarkeit gem. §§ 253 I, 255 StGB

I. Objektiver Tatbestand

1. Nötigungshandlung

2. Nötigungserfolg

3. Vermögensverfügung

4. Vermögensschaden

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bzgl. aller Tatbestandsmerkmale

2. Rechtswidrige und stoffgleiche Bereicherungsabsicht

3. Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld


E. Literaturhinweise

BGH, Beschluss vom 13.12.2023 - 3 StR 304/23; BeckRS 2023, 41042; vgl. MüKoStGB/Sander, § 250 Rn. 11.

 
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