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Entscheidung der Woche 28-2023 (ZR)

Simon Weber

Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers von zwei bis drei Stunden vor dem Abflug, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Modalitäten informieren.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH III ZR 204/21

in: DAR 2023, 206

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze (Auszug)

Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers von zwei bis drei Stunden vor dem Abflug, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Modalitäten informieren. Auf ersichtlich nicht abschließende Hinweise des Flughafenbetreibers auf dessen Internetseite darf er sich nicht verlassen.

B. Sachverhalt (gekürzt)

Der Kl. nimmt die Bekl. im Zusammenhang mit einem verpassten Flug auf Schadensersatz in Anspruch. Die Bekl. ist die Betreiberin des Flughafens D., der mit dem elektronischen Grenzkontrollsystem EasyPASS ausgestattet ist. Dieses ermöglicht ein schnelleres Passieren der Grenzkontrolle, indem die Identität des Reisenden, der mindestens zwölf Jahre alt sein muss, sowie die Echtheit und Gültigkeit des elektronischen Reisedokuments automatisiert überprüft werden. Die Bekl. wies auf ihrer Internetseite auf das EasyPASS-System hin, ohne das Mindestalter für dessen Nutzung zu erwähnen.

Der Kl. hatte für sich und die minderjährigen Kinder am 9.10.2019 einen Flug gebucht. Die Familie verpasste den Flug, da sie nach Durchlaufen der Sicherheits- und Passkontrollen das Abfluggate nicht mehr rechtzeitig erreichte. Der Kl. hat geltend gemacht, er sei zu den elektronischen Passkontrollen gegangen. Auf seine Frage, wo er sich anstellen müsse, habe er von einem Mitarbeiter die Auskunft erhalten, er könne die elektronischen Durchgänge nicht nutzen, da seine jüngste Tochter noch keine zwölf Jahre alt sei. Die Familie sei deshalb an die zwei mit Personal besetzten Durchgänge verwiesen worden. Dort kam es zu technischen Verzögerungen. Obwohl er eine weitere Mitarbeiterin der Bekl. auf das drohende Verpassen des Abflugs hingewiesen habe, sei er in der Warteschlange nicht vorgezogen worden.

Das AG hat die auf Zahlung von 2.980,08 € (Erwerb eines Ersatztickets, zusätzliche Hotel- und Fahrtkosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage abgewiesen. Im Falle eines ordnungsgemäßen Hinweises auf der Website hätte er nicht auf einen schnelleren Durchgang vertraut, sondern sich direkt an der Warteschlange vor den mit Beamten besetzten Schaltern angestellt. Das LG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen und die Revision zugelassen, mit welcher dieser seinen Klageantrag weiterverfolgt. Die zulässige Revision war unbegründet.


C. Anmerkungen

Das AG habe einen Schadensersatzanspruch des Kl. zu Recht verneint. Ein solcher Anspruch folge insbesondere nicht aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Es könne offenbleiben, ob zwischen der Bekl. und der den Flug durchführenden Fluggesellschaft ein Bodenabfertigungsvertrag mit Fluggastabfertigung bestanden habe und der Kl. in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen worden sei. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, sei nicht ersichtlich, dass die Bekl. eine auch dem Kl. gegenüber bestehende Pflicht aus einem etwaigen Bodenabfertigungsvertrag verletzt habe. Dessen Gegenstand sei hier vielmehr gar nicht berührt. Im hier allein betroffenen Sicherheitsbereich habe die Verantwortlichkeit der Bekl. als Flughafenbetreiberin geendet und die ausschließliche Verantwortlichkeit der Bundespolizei beziehungsweise der von ihr beauftragten Beliehenen begonnen. Am Flughafen D. habe die Bundespolizei die Sicherheitskontrollen auf eine Sicherheitsfirma als Beliehene übertragen. Die nachfolgende Passkontrolle führe sie mit eigenen Beamten durch. Die Bekl. könne weder die Öffnung zusätzlicher Gepäck- und Passkontrollstellen veranlassen, noch einzelnen Passagieren eine bevorzugte und beschleunigte Kontrolle ermöglichen.

Im Bezug auf das Nichthinweisen auf das Mindestalter sei eine Pflichtverletzung der Bekl. nicht erkennbar. Bei EasyPASS handele es sich um ein von der Bundespolizei hoheitlich betriebenes automatisiertes Grenzkontrollsystem. Auf Grund der Information der Bekl. über die Möglichkeit einer solchen automatisierten Grenzkontrolle habe sich der Kl. nicht darauf verlassen dürfen, diese vereinfachte und zügigere Art der Grenzkontrolle in jedem Fall durchlaufen zu können. Vielmehr hätte er sich zuvor selbst über die Modalitäten der Nutzung informieren müssen. Zudem sei sein Vortrag, welche Maßnahmen er im Fall eines entsprechenden Hinweises auf der Website der Bekl. ergriffen hätte, unsubstantiiert.

D. In der Prüfung

Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. VSD

I. Schuldverhältnis

II. Pflichtverletzung (P)

III. Vertretenmüssen

IV. Schaden

V. Rechtsfolge

E. Literaturhinweise

Schäfer, Der wartende Passagier – Ansprüche bei Mängeln und Verzögerungen der Luftsicherheitskontrollen, NJW 2019, 3029;

bzgl. der Zuständigkeit siehe Kommentierung zu §§ 2, 4 BPolG sowie §§ 5 Abs. 1 S. 1 u. 2, 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftSiG.

 
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