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Entscheidung der Woche 35-2020 (ZR)

Eric Scheu

Die Vorstellung eines Schenkers, dass das eigene Kind mit dessen Partner dauerhaft eine zugewendete Immobilie als gemeinschaftliche Wohnung nutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrags bilden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH – X ZR 107/16

in: NJW 2019, 3511

 

A. Orientierungssätze

Die Vorstellung eines Schenkers, dass das eigene Kind mit dessen Partner dauerhaft eine zugewendete Immobilie als gemeinschaftliche Wohnung nutzt, kann die Geschäftsgrundlage eines Schenkungsvertrags bilden. Sofern die gemeinschaftliche Nutzung der Immobilie nur kurze Zeit andauert, kommt regelmäßig ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Der Schenker ist sodann berechtigt, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten.


B. Sachverhalt (verkürzt & vereinfacht)

Die Klägerin, Mutter der ehemaligen Lebensgefährtin des Beklagten, verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von unentgeltlich gewährten Finanzierungsbeiträgen für eine Wohnimmobilie, die der Beklagte mit der Tochter der Klägerin zusammen erworben hatte. Der Beklagte und die Tochter der Klägerin lebten bereits seit über zehn Jahren in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Summe der zugewandten Beträge belief sich auf 104.109,10 €. Der Beklagte erhielt sodann das Miteigentum an der erworbenen Immobilie. Die Klägerin tätigte diese Zuwendung in dem Vertrauen darauf, dass die Immobilie dauerhaft für gemeinschaftliche Wohnzwecke genutzt wird. Nach weniger als zwei Jahren nach dem Erwerb der Immobilie trennten sich der Beklagte und die Tochter der Klägerin. Der Beklagte zog daraufhin aus der Wohnung aus. Die Klägerin begehrt die zugewendeten Beträge zurück.


C. Anmerkungen

Die Schwerpunkte des vorliegenden Falls waren die Fragen, welcher Rechtsnatur die Zuwendung der Eltern war, ob die Vorstellung der Klägerin, dass ihre Tochter und der Beklagte dauerhaft die Immobilie als gemeinsamen Wohnraum nutzen, eine Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 I BGB darstelle und ob diese weggefallen ist. So wird bei Zuwendungen zwischen Eheleuten als auch zwischen Partnern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht von einer Schenkung ausgegangen. Vielmehr spricht man von sog. unbenannten Zuwendungen. Dies ist jedoch gerade nicht auf Zuwendungen der Eltern übertragbar. Hierin sei regelmäßig eine Schenkung i.S.d. § 516 I BGB zu sehen. Wie bei jedem Vertrag können auch bei der Schenkung Umstände oder Vorstellungen eines oder beider Vertragspartner zugrunde liegen, die zwar nicht zum Vertragsinhalt erhoben werden, auf denen der Geschäftswille jedoch gleichwohl aufbaut und deren schwerwiegende Veränderung daher ein Recht erfordern kann, sich vom Vertrag zu lösen.

Dies ist einzelfallabhängig. Grundsätzlich ist bei der Annahme, dass Vorstellungen einer Partei zur Geschäftsgrundlage werden, Zurückhaltung geboten. Gleichwohl hat der BGH dies hier angenommen. Der BGH stellt darauf ab, dass gerade mit Zuwendungen, die auf den Erwerb von Grundeigentum gerichtet sind, Vorstellungen, wie die dauerhafte Nutzung der Immobilie, einhergehen. Diese Geschäftsgrundlage ist auch weggefallen. Der Schenker darf zwar nicht lebenslang an die Immobilie gebunden werden. Eine Nutzung, die weniger als zwei Jahre andauert, ist jedoch in jedem Fall zu kurz und lässt die Geschäftsgrundlage sodann wegfallen. Da eine Vertragsanpassung, wie primär in § 313 I BGB vorgesehen, nicht praktikabel ist, kann die Klägerin im vorliegenden Fall somit vom Vertrag zurücktreten.


D. In der Prüfung

Anspruch auf Rückzahlung der hälftig gezahl-ten Zuwendungen?

A. Anspruch aus §§ 530, 531 BGB

I. Vorliegen einer Schenkung (+)

II. Widerrufsgrund (-)

B. Anspruch aus §§ 812 ff. BGB (-)

C. Anspruch aus §§ 346 I, 313 I, III BGB

I. Vorliegen eines Vertrags (+)

II. (P) Vorliegen der Geschäftsgrundlage (+)

III. (P) Wegfall dieser Geschäftsgrundlage

IV. Anpassung des Vertrags unzumutbar (+)

V. Zwischenergebnis

D. Gesamtergebnis (+)


E. Zur Vertiefung.

Löhnig, JA 2019, 865.

 

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