top of page

Entscheidung der Woche 35-2024 (ÖR)

Janek Alexander Steinert

Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: BVerfG, Beschl. v. 05.12.2023 - 2 BvR 1749/20

Fundstelle: openJur 2024, 3447

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein.

2. Ein Eingriff in Form einer Durchsuchung kann nach Maßgabe des Art. 13 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden.

3. Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.

4. Der jeweilige Eingriff muss in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der konkreten Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen.

5. Die Auffindewahrscheinlichkeit ist insbesondere bei länger zurückliegenden Ereignissen oder bei Kenntnis des Betroffenen von den Ermittlungen sorgfältig zu prüfen.


B. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf.) wurde am 13. Mai 2019 bei einer "Adbusting"- Aktion, also dem Austauschen eines Werbeplakates durch eine optisch sehr ähnliche, aber verfälschte Version, von zwei Polizisten beobachtet. Die Polizisten verhinderten den Versuch, hingen das abgehangene Plakat zurück und stellten das mitgebrachte fremde Plakat sowie ein spezielles Werkzeug zum Öffnen von Schaukästen sicher. Am 15. Juni 2019 wurden mehrere verfälschte Plakate festgestellt, die Anzeige wurde gegen "Unbekannt" geführt. Am 17. Juli 2019 ordnete das Amtsgericht Tiergarten die Untersuchung der Wohnung der Bf. an, da man sie des Diebstahls verdächtigte und davon ausging mögliche weitere Plakate sicherzustellen. Diese wurde am 6. September durchgeführt. Am 3. Dezember 2019 wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Bf. eingestellt, da die Schuld gering sei und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehe. Die Bf. erhob am 16. Juli 2020 Beschwerde gegen denDurchsuchungsbeschluss. Ihrer Begründung nach sei die Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen, weiterhin sei "Adbusting" grundrechtlich geschützt. Am 24. August 2020 beschloss das Landgericht Berlin, dass die Beschwerde der Bf. unbegründet sei. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Bf. die die Verletzung ihrer Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, ihrer Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG und ihres Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG.


C. Anmerkungen

Die Annahme des Landgerichts, dass ein versuchter Diebstahl vorliege ist nicht haltbar, da eine Zueignungsabsicht beim ursprünglichen Fall nicht anzunehmen ist. Die Durchsuchungsanordnung sei dem Rechtfertigungsbedürfnis für den schweren Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre der Betroffenen nicht gerecht geworden. Auch die Geringwertigkeit der Sache sei nicht berücksichtigt worden.

Außerdem waren die Erfolgsaussichten einer Untersuchung dadurch geschmälert, dass die Beschwerdeführerin über zwei Monate Zeit hatte, um mögliche Beweismittel zu beseitigen. Für die Ermittlungen für das versuchte Austauschen am 13. Mai 2019 sei eine Untersuchung nicht erforderlich gewesen, da bereits alle nötigen Beweise in Form von Tatwerkzeug und Plakat sichergestellt worden waren.

Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig und auch begründet, da ein ungerechtfertigter Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung vorliege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei durch die Anordnung der Untersuchung und ihrer Durchführung verletzt worden.

Ein Eingriff in die Kunstfreiheit der Beschwerdeführerin war weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten und des Landgerichts Berlin haben die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt. Der Beschluss des Landgerichts sei daher aufzuheben. Der amtsgerichtliche Beschluss solle nicht aufgehoben werden, da seine Wirkung mit Vollstreckung der Durchsuchung entfallen sei.


D. In der Prüfung

A. Zulässigkeit der Klage

I. Zuständigkeit des BVerfG (+)

II. Beschwerdefähigkeit (+)

III. Beschwerdegegenstand (+)

V. Bescherdebefugnis (+)

(P) Gegenwärtigkeit bei bereits ausgeführtem Akt

V. Rechtswergerschöpfung (+)

VI. Form und Frist (+)

B. Begründetheit

I. Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG (-)

II. Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG

1. Schutzbereich

2. Eingriff (+)

3. Rechtfertigung (-)

C. Ergebnis (+)


E. Literaturhinweis

https://openjur.de/u/2486105.html

 

bottom of page