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Entscheidung der Woche 40-2023 (ZR)

Dean Weigel

Für eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist stets erforderlich, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos getragen werden soll.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH VI ZR 1234 / 20

in: NJW 2023, 2279

NZV 2023, 314

MDR 2023, 563

VersR 2023, 538

 

A. Orientierungssätze

1. Für eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist stets erforderlich, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos getragen werden soll.

2. Dass Dritte durch den Effekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Hierzu reicht es aus, dass ein Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (Fortführung BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 - VI ZR 319/ 18).

3. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Batterie aus dem Elektroroller ausgebaut war und zu diesem keine Verbindung mehr hatte. In diesem Fall ist die Batterie nicht mehr Teil der Betriebseinrichtung mit der Folge, dass der Halter nicht für die durch die Explosion entstandenen Schäden haftet.


B. Sachverhalt

Ein Versicherungsnehmer des beklagten Haftpflichtversicherers brachte seinen Elektroroller zur Inspektion in Werkstatträume, die bei dem klagenden Gebäudeversicherer versichert waren. Dort entnahm ein Werkstattsmitarbeiter die vollständig entleerte Batterie des Elektrorollers und begann diese aufzuladen. Nachdem

der Mitarbeiter nach rund einer bis eineinhalb Stunden bemerkte, dass sich die Batterie stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und legte sie zur Abkühlung auf den Boden der Werkstatt. Kurz darauf explodierte die Batterie und setzte das Gebäude in Brand.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus übertragenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen und auch die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.


C. Anmerkungen

Der BGH hat die Revision der Klägerin als unbegründet abgewiesen und einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG verneint. Für einen solchen mangelt es an der Rechtsgutsverletzung gerade „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges". Dieses Tatbestandsmerkmal ist entsprechend dem umfangreichen Schutzzweck der Norm grds. weit auszulegen. § 7 Abs. 1 StVG will als Gegenleistung dafür, dass durch die Nutzung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle geschaffen wird, alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. „Bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs tritt ein Schaden daher schon dann ein, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren verwirklicht haben. Geboten ist hierbei eine wertende Betrachtung. Der eingetretene Schaden muss jedoch in jedem Fall Folge einer solchen Gefahr sein, bezüglich derer der Verkehr nach Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 StVG schadlos gehalten werden soll. Maßgeblich für die Zurechnung einer Betriebsgefahr ist, ob die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.

Unerheblich ist es, dass der Elektroroller und die Batterie sich zur Zeit des Schadenseintritts zur Inspektion in einer Werkstatt befanden. Würde man den Anwendungsbereich der Vorschrift auf solche Schadensfolgen begrenzen wollen, die unmittelbar durch den Fahrtbetrieb selbst oder dessen Nachwirkungen hervorgerufen

wurden, dann liefe die Haftung in den Fällen leer, in denen allein durch einen technischen Defekt einer Betriebseinrichtung ein Schaden bei einem nach § 7 Abs. 1 StVG geschützten Rechtsgut verursacht wurde. Nach wertender Betrachtung prägen jedoch auch in diesen Fällen das Kraftfahrzeug und die von diesem ausgehenden Gefahren das Schadensgeschehen ausschlaggebend (mit).

Die Batterie wurde allerdings bereits aus dem Elektroroller ausgebaut. Eine Verbindung zu diesem bestand nicht mehr. In einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG stand die Batterie während Erhitzung und Explosion deshalb nicht mehr. Durch den Ausbau wurde insoweit eine neue Kausalkette in Gang gesetzt. Vergleichbar ist diese Situation mit Fällen, in denen eine nicht vorher im Elektroroller befindliche Batterie zu dem Zweck aufgeladen wird, danach in diesen eingebaut zu werden. Dann ist die Batterie noch nicht Teil der Betriebseinrichtung. Dementsprechend ist die Batterie im vorliegenden Sachverhalt nicht mehr Teil der Betriebseinrichtung gewesen. Der im Rahmen des § 7 Abs. 1 StVG erforderliche Zurechnungszusammenhang kann folglich nicht dadurch legitimiert werden, dass die Batterie zuvor in dem Elektroroller verbaut war und sich in diesem auch entladen hat.


D. In der Prüfung

Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG

1. Personen- oder Sachschaden

2. „Bei dem Betrieb" (P)


E. Literaturhinweise

Schüle, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 24.Januar 2023 - VI ZR 1234 / 20, RuS 2023, 567;

Steinert, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 24.Januar 2023 - VI ZR 1234 / 20, SVR 2023, 181.

 
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