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Entscheidung der Woche 42-2024 (ZR)

Maximilian Lotz

Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVG bei einem Fahrzeugbrand.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: BGH VI ZR 76/23

Fundstelle: NJW 2024, 1037

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVG bei einem Fahrzeugbrand.


B. Sachverhalt

Am 12. Oktober 2019 stellte der Sohn des Kläger seinen Pkw, dessen Halter und Eigentümer der Kläger ist, an einer Straße mit leichtem Gefälle in der Stadt E. ab. Hinter (oberhalb) dem Fahrzeug wurde ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Renault geparkt. In der Nacht auf den 13. Oktober 2019 entwickelte sich an beiden Fahrzeugen ein Brand, bei dem das Fahrzeug des Klägers zerstört wurde. Hierbei griff das Feuer von dem Renault auf den Pkw des Klägers über, indem brennendes Benzin austrat und aufgrund des Gefälles unter den Pkw gelang. Das Landgericht hat die unter anderem auf Ersatz von Wiederbeschaffungskosten, Nutzungsausfallschaden und weiteren Kosten in Höhe von insgesamt 6.786,88 € nebst Zinsen sowie Freistellung von Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.298,88 € nebst Zinsen zu zahlen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung. Der BGH hob die Verurteilung auf und begründete dies damit, dass der Kläger die anspruchsbegründende Voraussetzung nicht nachweisen konnte, ob der Brand "bei Betrieb" eines Kfz iSd. § 7 Abs. 1 StVG entstanden sei. Zwar gehört das Parken eines Autos an einer Straße zum Betrieb des Fahrzeugs. Jedoch müsste sich auch die spezifische Betriebsgefahr eines Kfz realisiert haben. Dieses Merkmal wird weit ausgelegt, sodass dies schon bejaht werden kann, wenn sich die von dem Kraftfahrzeug

ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, das heißt, wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des

Kraftfahrzeugs steht. Zwar ist es denkbar, dass ein Brand auf den technischen Einrichtungen des Pkw beruhte.

In dem konkreten Fall konnte aber nicht nachgewiesen werden, ob und wenn ja aufgrund welcher Betriebseinrichtung des Renault das Feuer entstanden ist. Zwar konnte der Brand hier nur aufgrund der räumlichen Nähe übergreifen, jedoch genügt dies für sich genommen nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Brandes beigetragen hat. Insbesondere bei einem vorsätzlichen Inbrandsetzen des Kfz durch einen Dritten, ist dies nicht mehr dem Betrieb des Kfz zuzuordnen. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Anspruchsteller die Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen. Eine vorsätzliche Brandstiftung durch einen Dritten kann hier nicht ausgeschlossen werden.

Auch ein Anscheinsbeweis kommt nicht in Betracht, da nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nur ein technischer Defekt in Betracht kommt, sondern auch die Möglichkeit einer Brandstiftung verbleibt. Daher wurde das Merkmal "bei Betrieb" vom Anspruchssteller nicht bewiesen und der Anspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG ist abzulehnen.


C. Anmerkungen

Der Fall behandelt im Wesentlichen den im ersten und zweiten Examen prüfungsrelevanten Direktanspruch gegen den Versicherer aus §§ 7 Abs. 1 StVG iVm. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG infolge eines Autounfalls. Hierbei bereitet regelmäßig das Merkmal "bei

Betrieb" und die Realisierung der Betriebsgefahr die größten Schwierigkeiten, da sich hierbei um eine komplexe Wertungsfrage handelt, die von der Rechtsprechung sehr weit ausgelegt wird. Gerade hierbei ist dann spannend, wo die Grenzen der Betriebsgefahr liegen. Insbesondere die Problematik der Halterhaftung bei einem Fahrzeugbrand ermöglicht es hier, das Grundverständnis der Probleme in verschiedenen Situationen abzuprüfen. Auch die spannenden beweisrechtlichen Fragen,

könnten etwa im zweiten Examen abgeprüft werden.


D. In der Prüfung

§§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VV

  1. Voraussetzungen des Direktanspruchs gegen den Versicherer gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG

  2. Anspruch gegen den Vesicherungsnehmer aus § 7 Abs. 1 StVG

a) Rechtsverletzung

b) Bei Betrieb eines Kfz

aa) Kfz in Betrieb

bb) Ausdruck der spezifischen Betriebsgefahr (P)


E. Literaturhinweise

BeckOGK StVG/Walter, § 7 Rn. 88 ff.

Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann StVG § 7 Rn. 5 ff.

 

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