Entscheidung der Woche 44-2020 (ZR)
Jonas Vonjahr
Das Totenfürsorgerecht umfasst unter anderem das Recht, für die Bestattung zu sorgen und schließt die Bestimmung der Gestaltung und des Erscheinungsbildes einer Grabstätte sowie die Aufrechterhaltung desselbigen ein.
Aktenzeichen & Fundstelle
BGH, Urt. V. 26.02.2019 – VI ZR 272/18
in: NJW-RR 2019, 727
BeckRS 2019, 6882
A. Orientierungssätze
1. Das Totenfürsorgerecht umfasst unter anderem das Recht, für die Bestattung zu sorgen und schließt die Bestimmung der Gestaltung und des Erscheinungsbildes einer Grabstätte sowie die Aufrechterhaltung desselbigen ein.
2. Das Totenfürsorgerecht ist ein sonstiges Recht i.S.v. § 823 I BGB, das im Falle seiner Verletzung Ansprüche auf Schadensersatz sowie auf Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen gem. § 1004 BGB analog begründen kann.
3. Bei in Frage stehenden „konkurrierenden Grabnutzungsansprüchen“ besteht keine Konkurrenz zwischen der Friedhofsordnung und zivilrechtlichen Abwehransprüchen.
B. Sachverhalt (verkürzt & vereinfacht)
Die totenfürsorgeberechtigte Klägerin hat ihren Vater, auf dessen Wunsch hin, auf einem Friedhof in einer Baumgrabstätte bestattet. Für diese besteht - laut der von der Gemeinde als Satzung beschlossenen Friedhofsordnung – ein weitreichendes Verbot der Ablage diverser Arten von Grabschmuck. Lediglich auf dafür vorgesehenen Flächen dürfen geeignete Blumengebinde abgelegt werden. Gegen diese Festsetzung verstieß die Beklagte wiederholt, indem sie mehrfach explizit von der Ablage ausgeschlossene Gegenstände außerhalb der dafür vorgesehenen Flächen auf das Grab des Verstorbenen (Großvater der Beklagten) legte.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Entfernung der abgestellten Gegenstände nebst Unterlassung des Ablegens weiterer Gegenstände auf dem Baumgrab.
C. Anmerkungen
Der BGH bestätigte mit seinem Urteil die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zusteht.
Der BGH stärkt mit seinem Urteil die Position totenfürsorgeberechtigter Personen, indem er feststellt, dass es sich beim Totenfürsorgerecht zum einen um ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 I BGB handelt und zum auch das Recht zur Bestimmung der Gestaltung und des Erscheinungsbildes einer Grabstätte umfasst.
Eine Verletzung dieses Rechts nimmt der BGH zumindest dann an, wenn durch Handlungen einer dritten Person die geltenden Regelungen der Grabstätte, welche die fürsorgeberechtigte Person nach dem (u.U. auch mutmaßlichen) Willen des Verstorbenen ausgewählt hat, verletzt werden. Ob eine Verletzung auch dann anzunehmen ist, wenn die umgestaltende Handlung im Rahmen eines gestatteten Gemeingebrauchs bleibt und nur dem Willen des Verstorbenen widerspricht, hatte der BGH nicht zu entscheiden.
Indizien für die diesbezüglichen Tendenzen des BGH ergeben sich aber daraus, dass er in dem vorliegenden Urteil den Willen des Verstorbenen gegenüber dem Bedürfnis Dritter, ihre Trauer individuell zu bekunden, stärkt.
Darüber hinaus positioniert sich der BGH erstmals klar dahingehend, dass ein Unterlassen der Veränderung des Erscheinungsbilds einer Grabstätte entgegen der Friedhofsordnung, nicht alleine der Friedhofsverwaltung, sondern auch der totenfürsorgeberechtigten Person zusteht.
D. In der Prüfung
A. Anspruch auf Unterlassung der Veränderung des Erscheinungsbildes des Grabes, §§ 823 I, 1004 I 2 BGB analog
I. Beeinträchtigung des Totenfürsorgerechts
1. Bestehen eines Totenfürsorgerechts
2. Totenfürsorgerecht als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 I BGB
3. Beeinträchtigung des Totenfürsorgerechts durch Veränderung von Gestaltung/Erscheinungsbild des Grabes
a) Durch Verstoß gg. Friedhofsordnung (-)
b) Entgegen Willen des Verstorbenen (+)
Hier wäre ggf. auch zu thematisieren, ob die totenfürsorgeberechtigte Person zur Konkretisierung des vom Verstorbenen geäußerten Willens befugt ist.
II. Keine Duldungspflicht, § 1004 II BGB
III. Gefahr weiterer Beeinträchtigungen
IV. Störereigenschaft d. Anspruchsgegners
B. Ergebnis
E. Zur Vertiefung
Totenfürsorgerecht als sonstiges Recht: MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 349, 350.