Entscheidung der Woche 49-2023 (ZR)
Silas Dreßler
Der Kommentar #DubistEinMann unter dem Beitrag einer Transfrau auf der Plattform „X“ ist eine zulässige Meinungsäußerung und gewährt keinen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Äußerung.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: OLG Frankfurt 16 U 95/23
in: GRUR-RS 2023, 30326
A. Orientierungs - oder Leitsätze
Der Kommentar #DubistEinMann unter dem Beitrag einer Transfrau auf der Plattform „X“ ist eine zulässige Meinungsäußerung und gewährt keinen Anspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG auf Unterlassung der angegriffenen Äußerung. Aufgrund der verwendeten Hashtag-Schreibweise liegt keine persönliche Ansprache der betreffenden Person, sondern eine verallgemeinernde, an jede Transfrau gerichtete Aussage vor. Durch Verwendung der Hashtag-Schreibweise handelt es sich um eine Meinungs- und nicht um eine Tatsachenäußerung, da Hashtags genutzt werden um sich unter anderem einer gesellschaftlichen oder politischen Meinung anzuschließen.
B. Sachverhalt
Eine Journalistin, die als Transfrau in sozialen Medien aktiv ist, hatte auf der Plattform "X" (früher Twitter) dazu aufgerufen, den Deutschen Frauenrat gegen negative Kommentare von "#TERF #TERFs" ("Trans-Exclusionary Radical Feminism", "Trans-ausschließender Radikalfeminismus") zu unterstützen. Diesen Beitrag kommentierte eine Nutzerin mit lachenden Smileys und den Worten "8 likes times changed! #DubistEinMann". Der kommentierte Kommentar der Journalistin bezog sich auf einen Beitrag des Deutschen Frauenrats, in dem es um den Gesetzesentwurf für das Selbstbestimmungsgesetz ging.
C. Anmerkungen
Im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG ist die Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht stets zu beachten. Die Reichweite liegt mithin nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Schutzinteresse ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Schutzwürdiger Belang ist vorliegend die Meinungsfreiheit. Im Rahmen der Meinungsfreiheit ist hinsichtlich des Gewichtes zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptungen zu differenzieren. Meinungsäußerungen genießen dabei im Rahmen der Güterabwägung einen deutlich erhöhten Stellenwert gegenüber Tatsachenbehauptungen. Vorliegend soll es sich bei der getätigten Aussage nach Ansicht des OLG Frankfurts um eine Meinungsäußerung handeln.
Die Aussage „DubistEinMann“ steht nicht für sich alleine, sondern ist mit einem Hashtag-Symbol versehen worden. Durch das Hashtag-Symbol werde die Aussage in ein Schlagwort verwandelt, wie es bei Diskussionen auf Sozialen Medien üblich sei. Die Beklagte mache sich ihre überspitzte und polarisierende Äußerung mit dem Hashtag zunutze, um sich dadurch einer politischen und gesellschaftlichen Meinung anzuschließen und diese kundzutun. Es handele sich deshalb um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung. Auch sei die Aussage nicht als Schmähkritik zu verstehen, die ihrerseits nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst wird.
Etwas anderes ergebe sich diesbezüglich auch nicht daraus, dass die streitgegenständliche Aussage mit dem Personalpronomen „Du“ einen vollständigen Satz darstellt. Mit der Verwendung des Personalpronomens „Du“ personalisiere die sich äußernde Beklagte in besonders herausfordernder Form sämtliche von den personenstandsrechtlichen Bestimmungen des Selbstbestimmungsgesetzes betroffene Personen und nicht nur die Klägerin, deren Beitrag die Beklagte kommentierte. Zwar kann auch eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ein Kollektiv erfasst, unter bestimmten Umständen einen Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs darstellen. Allerdings lässt sich bei herabsetzenden Äußerungen kollektiv betroffener Personen die Grenze zwischen einem Angriff auf die persönliche Ehre, die Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG schützt und die nach Art. 5 Abs. 1 GG Beschränkungen der Meinungsfreiheit rechtfertigt, und einer Kritik an sozialen Phänomenen, staatlichen oder gesellschaftlichen Einrichtungen oder sozialen Rollen und Rollenerwartungen, für die Art. 5 Abs. 1 GG gerade einen Freiraum gewährleisten will, nicht scharf ziehen. Einer Bestrafung wegen derartiger Äußerungen wohne deswegen stets die Gefahr überschießender Beschränkungen der Meinungsfreiheit inne. Im Rahmen einer Güterabwägung überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Meinungsfreiheit deshalb nicht.
D. In der Prüfung
Anspruch auf Unterlassen Anspruchs gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB
I. Störung eines geschützten Rechtsguts im Sinne der §§ 823 ff. BGB
II. Rechtswidrigkeit, keine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB (P)
E. Literaturhinweise
Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, § 14 Rn. 6; Wenzel/Burkhardt, Recht der Wort- und Bildberichtserstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 4 Rn 50 ff.